Die Arbeitsgemeinschaft „AK Europa“ der SPD Düsseldorf wünscht Ihnen ein Frohes Fest und einen guten Rutsch!

Liebe Europäerinnen,
liebe Europäer,

bald weihnachtet es sehr.

In dieser Zeit finden die Menschen ihren zuweilen verschütteten Sinn für Empathie und Mitgefühl wieder, den sie im Verlauf des Jahres regelmäßig verbummeln; freudig erregt, das gute Stück wiedergefunden zu haben, oder auch misstrauisch verwirrt darüber, welche überkommenen Sprengsel der Mitmenschlichkeit aus der hintersten Ecke des Oberstübchens sich plötzlich unverkennbar auf dem
Teppich des Bewusstseins abzeichnen, entstauben sie das Überbleibsel, spiegeln sich im wiedergewonnenen Glanz des Kleinods und verfallen in eine Nachdenklichkeit, die wir aus Hesses’ Demian kennen, wenn der Protagonist die archaischen Wurzeln des Ins-Feuer-Gucken erkennt.

Diese Nachdenklichkeit ist zwiegespalten. Sie richtet sich sowohl an das, was war, als auch an das, was kommt. Was ist also passiert in Europa, und was kommt auf uns zu? Eine kleine Auswahl:

DS-GVO

Ein gutes Zeichen für den Schutz der Grundrechte war das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Erstmals gilt ein europaweiter Datenschutz, der den Bürgern mehr Kontrolle über die eigenen Daten einräumt und damit die informationelle Selbstbestimmung (wie es das Bundesverfassungsgericht seinerzeit nannte) fördert.

Nationalwahl in Italien

Kritisch ist sicherlich der Ausgang der Wahlen in Italien zu bewerten, wo sich nationale Ressentiments an der Wahlurne durchgesetzt haben. Ein Lichtblick war dabei sicherlich, dass der italienische Staatspräsident Mattarella Haltung zeigte und ein Veto zur Nominierung von Paolo Savona einlegte. Dessen anschließende Vereidigung als Minister für Europafragen zeigte fast ironische Züge

Bußgeld gegen Google

Ein starkes Signal für die Handlungsfähigkeit auf europäischer Ebene setzte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die namens der EU-Kommission dem Unternehmen Google eine Strafe von 4,3 Milliarden Euro wegen Missbrauchs seiner Marktmacht aufbürdete, nachdem das Unternehmen bereits 2017 für Verstöße gegen das EU-Wettbewerbsrecht 2,4 Milliarden Euro Strafe zahlen mußte.

Olaf Scholz & Digitalsteuer

Fragwürdig erscheint das Abrücken des deutschen Finanzministeriums unter Leitung von Olaf Scholz von der Digitalsteuer. Nicht nur, dass Olaf Scholz zu Beginn seiner Amtszeit sich anders äußerte; auch rüttelt die Steuervermeidung großer Internetunternehmen am Gerechtigkeitsgefühl der Deutschen.

Abstimmung zu Menschenrechten

In einer sehr knappen Abstimmung hat das Europäische Parlament dafür votiert, dass es ein starkes verbindliches internationales Instrument geben muss, das transnationale Unternehmen auf die Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet. Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Unternehmen brauchen Klagerechte, um ihr Recht durchsetzen zu können.

Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn

Mit einer 2/3-Mehrheit hat sich das Europäische Parlament dafür ausgesprochen, gegen Ungarn ein Verfahren wegen der Verletzung der Rechtsstaatsprinzipien einzuleiten. So sehr dieser Beschluss zu begrüßen ist, weil er zeigt, dass sich die europäische Ebene aktiv für Grundwerte einsetzt, so deutlich wird auch, dass Mitgliedstaaten, die einmal ihr Billet für die Europäische Union erhalten haben, anschließend lange ein Verhalten aufrechterhalten können, das ihnen in früheren Jahren den Eintritt verwehrt hätte. Folglich muss sich die EU an dieser Stelle strukturell reformieren.Allerdings zeigt die Entwicklung in Ungarn auch, dass der europäische Gedanke noch rege Aktivität hervorzurufen vermag, wie die Demonstrationen in Budapest offenbar werden lassen.

Brexit

Das Verlassen der Europäischen Union durch das Vereinigte Königreich war und bleibt ein Dauerbrenner. Spätestens seit der Aushandlung eines Entwurfs für den Austritt reiben sich die Europa-Skeptischen die Augen und wundern sich, dass eine Nicht-Mitgliedschaft in der EU schlechter ist als eine Mitgliedschaft. Parallel dazu verstummen unversehens die Austrittswünsche, die gerne und lautstark von populistischer Seite geäußert wurden. Die Politik in Großbritannien besetzt derweil die Flügel: einige propagieren nun einen Austritt ohne Abkommen, was durchaus masochistische Motivationen vermuten lässt; andere wünschen sich einen noch weicheren Austritt, was fast einem Widerspruch zum Referendum einschließt. Und die Bevölkerung? Sie versteht allmählich, dass sie schlicht belogen wurde.
Sollte es im Januar doch zu einer Annahme des Austrittsabkommens im Unterhaus kommen, so wird es vermutlich 10 – 15 Jahre dauern, bis ein Neueintritt in Frage steht; im Falle einer Ablehnung werden entweder die EU und Großbritannien zunächst stark leiden – oder es entsteht eine kleine Revolutionsstimmung, die z. B. in Neuwahlen mündet, als deren Ergebnis auch ein Austritt vom Austritt möglich erscheint. Dazu müsste aber die Labour-Partei ihr europapolitisches Profil schärfen.

Europawahlkampf

Die Wahlen im Mai 2019 dürfen als historisch betrachtet werden. Sie werden in Deutschland den Stellenwert der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands beschreiben, und sie werden in der EU zeigen, ob die Bevölkerungen der Mitgliedstaaten sich zu den Grundwerten der EU bekennen oder ob sie sich von nationalen Strömungen der unterschiedlichsten Art einreden lassen wollen, man könne den drängenden Aufgaben der Gegenwart eng begrenzt in den Territorien der Nationalstaaten begegnen.

Für alle europäisch gesinnten Bürgerinnen und Bürger gilt daher: Wir haben viel zu verlieren, vermasseln wir es nicht. Nur wenn wir bedingungslos vom Erreichten berichten, nur wenn wir aufrichtig Schwachstellen benennen, nur wenn wir für das Bessere, das möglich ist, eintreten, können wir die Vorteile des letzten halben Jahrhunderts bewahren und ausbauen.

In diesem Sinne wünschen wir Euch geruhsame Weihnachtstage, eine entspannte Zeit zwischen den Jahren und einen angenehmen Start in das neue Jahr. Diese Wünsche sind durchaus eigennützig. In 2019 brauchen wir ausgeruhte, belastbare und überzeugte Europäerinnen und Europäer.

AK EUROPA
Thomas Gestrich