Schuldenfreies Düsseldorf

Nach Dresden hat es die zweite deutsche Großstadt geschafft, die kommunalen Schulden auf Null zu bringen. Dresden verkaufte die städtische Wohnungsbaugesellschaft an Investoren. Düsseldorf hat sich von RWE-Aktien und seinen Stadtwerken getrennt.

Im September, genauer, am 12. September 2007, läßt der Bürgermeister jetzt wissen, werde die Stadt schuldenfrei sein. Ich beglückwünsche die Stadt Düsseldorf und ihre Bürger zu dieser wunderschönen Schlagzeile. Allerdings bleibt die Frage zu beantworten: Wie konnte das gelingen – und, was hat Düsseldorf, was haben die Düsseldorfer Bürger nun davon?

Schuldenabbau, so heißt es, entlastet die zukünftigen Generationen um die Zinslasten. Bei knapp einer Milliarde Schulden, die um das Jahr 2001 den Düsseldorfer Stadtkämmerer drückten, sind das, bei einem durchschnittlichen Zinssatz von – hoch gegriffen – 6,0 % p.a., jährlich rund 60 Millionen Euro, die im Haushalt frei werden, um damit Besseres anzufangen, als Zinsen zu zahlen. Das ist nicht wenig.

Dafür musste sich Düsseldorf allerdings von 6,2 Millionen Stück RWE-Aktien trennen. (exakt 6.171.630) Der Verkauf brachte der Stadt rund 0,4 Milliarden Euro ein. Für das Geschäftsjahr 2006 hat RWE pro Aktie 3,50 Euro Gewinn ausgeschüttet – der entgeht Düsseldorf, jetzt und in alle Zunkunft. Das sind 21,6 Millionen Euro – nach Abzug von 25% Abgeltungssteuer bleiben immer noch Erträge in Höhe von 16,2 Millionen – die Düsseldorf künftig fehlen. Jahr für Jahr.

Die Stadt hat außerdem ihren 80%-Anteil an den Stadtwerken Düsseldorf an EnBw verkauft, erst 29,9% Anfang 2002, dann 25,5% 2005 – und nun vermutlich, mit dem Ablauf der zweiten Verkaufsoption, den Rest – um endgültig schuldenfrei zu werden. Daraus ist der Stadt ein Gesamterlös von rund 1,3 Milliarden Euro zugeflossen. EnBw erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2006 bei einer Bilanzsumme von 15,3 Milliarden Euro einen Jahresüberschuss von 454,4 Millionen Euro – nach Steuern. Überträgt man dieses Verhältnis auf den nun von EnBw gehaltenen 80%-Anteil, dann hat die Stadt Düsseldorf – bei wirtschaftlicher Betriebsführung – aus den Erträgen der Stadtwerke einen jährlichen Gewinn in Höhe von 38,6 Millionen Euro verloren.

Die Ersparnis aus dem Verkauf des Tafelsilbers hat sich damit von 60 Millionen auf weniger als ein Zehntel reduziert. Die Entschuldungsaktion bringt unter dem Strich gerade noch 5,2 Millionen Euro — vorausgesetzt, die Schulden der Stadt wurden tatsächlich mit durchschnittlich 6,0 % verzinst. Häuslebauer bekommen ihre erste Hypothek derzeit schon ab 4,7 % … Nimmt man an, die Düsseldorfer hätten bei den Zinskonditionen ihre "Marktmacht" richtig ausgespielt, und allenfalls einen Durchschnittszinsatz auf Häuslebauer-Hypotheken-Niveau zu zahlen gehabt, dann stünden dem Einnahmeverlust von 54,8 Millionen nur Einsparungen von 47 Millionen gegenüber – per Saldo 7,8 Millionen Miese. Jährlich. Wie auch immer, irgendwo in der Mitte zwischen 5,2 Millionen Gewinn und 7,8 Millionen Verlust wird die Wahrheit liegen.

Was hat Düsseldorf also gewonnen? Nichts.
Die Sorgen des Stadtkämmerers bleiben praktisch unverändert. Was er bei den Zinsen spart, fehlt ihm bei den laufenden Einnahmen, die Größenordnungen sind ungefähr gleich und die Differenz geht im Rauschen der Schwankungsbandbreite unter.

Und was hat Düsseldorf verloren? Nichts,
außer der Verfügungsgewalt über die Stadtwerke. Gebühren und Tarife im Interesse der Stadt und ihrer Bürger festzulegen und auszurichten – das ist nicht mehr möglich. Die Einrichtungen der kommunalen Grundversorgung durch Investitionen und laufende Wartung zu erhalten, liegt nicht mehr im Ermessen der Stadt. Mitarbeiter der Stadtwerke angemessen zu bezahlen, sie in der notwendigen Zahl zu beschäftigen und damit den Arbeitsmarkt zu pflegen – auch das liegt nicht mehr in der Hand der Stadt. Leistungsumfang der Versorgung und die Qualität der Leistung zu bestimmen – das ist nun ausschließlich die Sache von EnBw.

Düsseldorf wird nicht lange schuldenfrei bleiben. Wer in sechs Jahren 1 Milliarde tilgt, aber im gleichen Zeitraum 1,7 Milliarden Privatisierungserlöse einstreicht, der ist wohl noch ein Stück weit von einem nachhaltig ausgeglichenen Haushalt entfernt.

  • Den Düsseldorfer Bürgern wird es ähnlich ergehen, wie den Dresdnern: Kaum waren dort die Wohnungen verkauft und die Stadt entschuldet, schon stiegen die Mieten. In Düsseldorf werden es eher die Kosten für Strom, Gas, Wasser und Fernwärme sein – aber wo liegt da der Unterschied?


    Quelle: Paukenschlag am Donnerstag, der wöchentliche Kurzkommentar von Egon W. Kreutzer – unabhängiger Autor, Unternehmensberater und Verleger – mit einem außergewöhnlichen Hang zur Nachhaltigkeit.